Hans Klinger
„Wer hat Angst vor Hans Kilger?“, titelte eine regionale Plattform im September 2020. Spätestens nach seiner Akquise des Loisium Ehrenhausen, dem größten Hotel der Südsteirischen Weinstraße, ist der Münchner Wirtschaftsprüfer Hans Kilger allen Steirer*innen jenseits des Wildoner Berges ein Begriff. Im Gespräch mit CMM erzählt er von seinen Anfängen als Bisonzüchter in Rumänien, wie er die Südsteiermark entdeckte, kurzerhand beschloss, sie global erfolgreich zu machen – und wie genau er plant, dies anzustellen.
Herr Kilger, beginnen wir mit einer allgemeinen Frage: Was zeichnet Sie Ihrer Meinung nach aus?
In erster Linie würde ich sagen, dass ich ein sehr neugieriger Mensch bin. Allgemein möchte ich alles Mögliche in meinem Leben versuchen. Dabei hatte ich natürlich auch das Glück, meinen Traumberuf über Jahrzehnte ausüben zu dürfen. Das klingt in Anbetracht meiner Profession jetzt vielleicht merkwürdig – Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung sind ja generell sehr trockene, sehr gesetzeslastige Materien. Aber ich habe diese Arbeit stets aus der Perspektive betrachtet, dass man nur über Bilanzen auch das Unternehmen dahinter wirklich verstehen kann. Ich bin der Überzeugung, dass ein Wirtschaftsprüfer seinen Beruf auch nur mit dieser Perspektive richtig ausüben kann. Denn um einem Unternehmen wirklich weiterhelfen zu können, muss man es auch jenseits des steuerlichen Bereiches analysieren können. Das umfasst natürlich auch ein betriebswirtschaftliches und juristisches Fachwissen. Und aus diesem Zusammenspiel von verschiedenen Wissensbereichen und den vielen Facetten, die sich durch die Zusammenarbeit mit zahlreichen Unternehmen in den unterschiedlichsten Branchen ergeben, rührt letztendlich auch meine Freude an dem Beruf. Ich habe viele Beteiligungen in meinem Leben gemacht, und das eine oder andere hat natürlich nicht funktioniert. Aber grundsätzlich ist diese berufliche Neugier – die Freude an dem Ganzen – meine Triebfeder.
In welchem Jahr haben Sie sich selbstständig gemacht?
Ich habe mich im Jahr 1991 selbstständig gemacht. Bis dahin war ich als Staatsdiener in Bayern beruflich tätig, habe aber diese Ausbildung, dieses Studium, eigentlich schon immer als Sprungbrett gesehen, um später in der freien Wirtschaft etwas machen zu können.
Ihre Wirtschaftsberatung ist in Deutschland mit knapp 60 Leuten schon relativ groß.
Im mittelständischen Bereich sind wir definitiv eine vergleichsweise große Einheit. Als ich dort in der Kanzlei angefangen habe, waren wir zehn Leute. Und nachdem alles sehr komplex geworden ist, brauchten wir eine gewisse kritische Größe, um auch subsidiäre Fachthemen entsprechend abbilden zu können. Und das Unternehmen auf diese Größe zu bringen, war wie gesagt auch strategisch ein wichtiger Punkt für mich.
Aber Sie haben sich in dieser Zeit auch schon in unterschiedlichen Branchen, also an Unternehmen beteiligt?
Ja, ich habe irgendwann, etwa gegen Ende der 90er-Jahre, mit den Beteiligungen angefangen. Natürlich immer mit einem Schwerpunkt auf Immobiliengesellschaften, weil ich mir eben dort meine Expertise in den 90er-Jahren durch Beratung von entsprechenden Playern in München erworben hatte.
» Essen und trinken muss jeder Mensch, unabhängig von der Wirtschaftslage. «
Und wann genau haben Sie den Wechsel zur Landwirtschaft vollzogen?
Das kann ich schnell zusammenfassen: Im Wesentlichen kam ich während der Finanzkrise von 2007/2008 zu der Überzeugung, dass ich mir ein nachhaltiges und langfristig stabiles Standbein aufbauen muss. Ein Bereich aus der Grundbedürfnisbefriedigung war hier entsprechend naheliegend – essen und trinken muss jeder Mensch, unabhängig von der Wirtschaftslage. So habe ich dann damit begonnen, mich landwirtschaftlich zu betätigen, genauer gesagt, zunächst in der Wildzucht.
Und wie hat dieser Wechsel angefangen?
Der Beginn meiner landwirtschaftlichen Betätigung fand in Siebenbürgen statt, einer sehr waldreichen Gegend, hervorragend für eine Viehzucht geeignet. Dass ich mich gerade für Freiwild entschieden hatte, lag schlicht und ergreifend daran, dass ich nicht der 5.000ste Angus-Züchter werden, sondern vielmehr eine Nische füllen wollte, in der hochwertiges Fleisch möglichst artgerecht produziert wird. Ich hatte mir hier selbst hohe ethische Ansprüche gestellt, von daher war ein Wildgehege die logische Wahl.
Eine Bisonherde ist ja jetzt nicht unbedingt der naheliegendste Gedanke für einen Viehzüchter, geschweige denn für einen Wirtschaftsprüfer. Woher kam dieser Gedanke?
Ich war zur damaligen Zeit sehr häufig in den USA zu Besuch, wobei ich dort besonders die Region rund um Colorado, also die Großen Prärien im Mittleren Westen, besucht habe. Natürlich wissen viele, dass das die Heimat der Bisonherden ist. Weniger Leute wissen jedoch, dass das Klima in Colorado dem in Siebenbürgen teils sehr ähnelt. Speziell den Indian Summer findet man in den Eichenwäldern Rumäniens gewissermaßen wieder. Und bei einem Glas Rotwein hatte ich mir daher einfach gedacht: Mensch, machen wir halt eine Bisonzucht. Und so ging es eigentlich los.
Spannend. Aber wie kam dann der Schwenk in die Steiermark zustande?
Naja, nach Österreich bin ich über meinen Wildverwalter in Rumänien, dem Karner Rudolf aus Frauental, gekommen. Er hat mich sozusagen in die Südsteiermark gelockt. Sie müssen wissen: Der gemeine Münchner kennt den Südosten Österreichs nicht, der fährt zum Urlaub nach Tirol oder Südtirol und entsprechend hatte auch ich die Region zuvor nicht auf dem Radar. Aber als ich die Region zu sehen bekommen habe, war ich schwerst beeindruckt, was Österreich südlich des Alpenhauptkammes zu bieten hat: mediterranes Klima, megaschöne Landschaften mit Weingärten noch und nöcher. Und dann habe ich mich eigentlich sofort dazu entschieden, hier ein kleines Häuschen und einen Weingarten zu erwerben. Was ich letztendlich auch getan habe.
» Ich sehe mich als regionaler Entwickler. «
Sie sind ja mittlerweile einer der größten Investoren der Südsteiermark, speziell in der Region rund um die Südsteirische Weinstraße: Weingärten, Wirtshäuser, sogar das Schloss Gamlitz und nicht zuletzt auch das Loisium, das größte Hotel der Weinstraße. Steckt hinter all dem ein größerer Masterplan?
Einen Masterplan in dem Sinne gibt es schon. Wie gesagt: Für mich ist eine gewisse kritische Größe, wie wir es vorher bei meiner Wirtschafts- und Unternehmensberatung auch erläutert haben, ganz wichtig. Das Ding muss so aufgesetzt sein, dass das quasi solitär läuft, also auch ohne mein Zutun. Momentan bin ich noch der Motor da drin, aber das sollte in den nächsten Jahren letztendlich so aufgesetzt sein, dass es ohne mein Wirken funktioniert. Und da braucht man einfach eine gewisse Größenordnung, weil ein guter Manager kostet Geld und der muss sich natürlich auch rentieren. Außerdem muss das Unternehmen unterm Strich natürlich auch noch Geld verdienen, sonst ist das ganze Investment sehr kurzsichtig und kurzfristig.
Wie würden Sie Ihre Mission im Moment beschreiben?
Ich sehe mich als regionaler Entwickler. Die Gegend hat es verdient, von der Welt gesehen und erlebt zu werden – sanfter Tourismus sozusagen. Es wird über die nächsten Jahre mein Ziel sein, unsere Liegenschaften auszubauen und zu expandieren. Was natürlich nicht Massentourismus heißt – den lehne ich ab –, sondern einen wesentlichen Ausbau des Kulinariktourismus. Bei der Dichte an hochwertigen Haubenlokalen, dem kulinarischen Angebot, den hochwertigen Weinprodukten und dem erstklassigen Mitbewerb ist die Südsteiermark ja praktisch prädestiniert für erstklassigen Tourismus. Das wäre sozusagen der Masterplan, der mich jetzt in den nächsten Jahren noch antreibt.
Wie darf man sich das vorstellen, bei so vielen Investments: Wie behalten Sie da den Überblick, wie funktioniert die Steuerung?
Naja, da kommen mir natürlich meine Kernprofessionen sehr zugute: Controlling, Buchhaltung, Bilanzierung – das ist mein täglich Brot. Und wie gesagt, ich sehe es nicht als die größte Herausforderung, das Ganze zu steuern und zu koordinieren, sondern eher, die notwendige Entwicklungsleistung herauszuholen. Also die notwendigen Schritte und Entscheidungen zu finden, damit man aus jedem Investment wirklich etwas schafft, das nachhaltig und langfristig überlebensfähig ist. Das ist, glaube ich, eher die Schwierigkeit und daher arbeiten wir jeden Tag hart daran, auch in der Coronazeit.
Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Investments aus?
Ganz ehrlich gesagt, für mich spielt beim Investment zuallererst die Emotion eine große Rolle. Wenn ich Immobilien ankaufe, dann ist dies natürlich erst einmal die Lage und ein gutes Bauchgefühl im Allgemeinen, ansonsten kommen sie für mich nicht in Betracht. Bei Unternehmen steht für mich die vorhandene Mannschaft an vorderster Stelle. Die beste Geschäftsidee wird nicht fruchtbringend umsetzbar sein, wenn die entsprechenden Leute nicht da sind, um sie umzusetzen.
Was ist Ihnen bei der Auswahl der Leute, die die Unternehmen dann letztendlich steuern, wichtig?
Erstens einmal, dass sie die notwendigen Fachkenntnisse mitbringen, und zweitens eine gewisse Loyalität und eine, ich sage einmal, gleiche verrückte Herangehensweise, wie ich sie an den Tag lege. Also: ein bisserl spinnen, ein bisserl Visionen austauschen. Keine Idee ist aus meiner Sicht inhärent schlecht, denn nur wer Ideen einbringt – und seien sie noch so unkonventionell – ist aus meiner Sicht auch bereit, neue Wege zu versuchen. Und das, was wir hier machen, das kann man nirgends abkupfern und sagen: Das mache ich so wie, keine Ahnung, der Mateschitz oder wer auch immer. Der hat natürlich auch seine eigenen Stärken und
was er aufgebaut hat, ist keinesfalls zu unterschätzen. Aber er hat mit Sicherheit keinen Menschen gehabt, dem er nach-geeifert hat. Warum also sollten wir das versuchen?
Das heißt, Sie sind wohl auch nicht die Art Person, die sich aktiv Vorbilder oder Mentoren sucht?
Nein, Mentoren oder Ähnliches habe ich nie gehabt. Das, was wir – also mein Team und ich – hier aufgebaut haben, ist nichts Nachgeahmtes, nachdem es das in dieser Ausprägung ja eigentlich nirgendwo sonst gibt. Denke ich jedenfalls. Ob das jetzt Wein ist oder Kulinarik oder seit kurzem Wasser. Ich glaube, in diesem Bereich gibt es ohnehin niemanden, dem ich nacheifern könnte, selbst wenn ich wollte.
« Nachdenken und dann Vollgas geben, das würde ich empfehlen. »
Bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen ist ja besonders der Vertrieb bzw. der Verkauf ein maßgebender Erfolgsfaktor. Sie setzen hier auf eine für die Branche eher unkonventionelle Methoden: Online-Verkauf sowieso, aber auch Automaten und dergleichen. Warum wenden Sie solche alternative Konzepte gerade in der regionalen Landwirtschaft an?
Wir haben uns das Thema Vertrieb schon vor der Krise eingehend angesehen und es analysiert und letztendlich läuft es immer auf eine Frage hinaus: Wie komme ich zum Endkunden? Einerseits gibt’s halt die eingefahrenen Wege: über den Lebensmitteleinzelhandel, über Zwischenhändler und so weiter. Oder man baut sich digitale Vertriebswege auf und holt den Endkunden sozusagen bei sich zu Hause ab. In diesem Zusammenhang bauen wir seit mittlerweile einem Jahr unseren Online-Shop sowie unseren E-Commerce im Allgemeinen kontinuierlich aus. Letztendlich kommt die Food-Branche aus meiner Sicht nicht an diesem Weg vorbei. Corona ist hier gerade eher der Beschleuniger für eine Entwicklung, die es über kurz oder lang ohnehin gegeben hätte. Die Leute haben schlicht und einfach keine Zeit und Lust mehr, hier in der Weltgeschichte hin- und herzukurven, um sich Produkte zusammenzusuchen. Besonders dann, wenn sie stattdessen auch über einen vernünftig aufgestellten E-Shop die Produkte 24 Stunden später in Top-Qualität zur Haustür geliefert bekommen. Das ist der Weg der Zukunft – eigentlich sogar schon der Weg der Gegenwart – und den protegieren wir natürlich total.
Sie haben zuvor von Rückschlägen im beruflichen Bereich gesprochen. Wie gehen Sie mit solchen Rückschlägen um?
Schlucken, sitzen lassen und weitergehen. Nicht irgendwo in eine Jammertirade à la „Ich bin so arm, mir geht’s so schlecht“ verfallen, sondern lösungsorientiert aus den Fehlern lernen. Wenn Leute Fehler machen – und jeder wird irgendwann Fehler machen –, dann werden diese Fehler aufgearbeitet und Lösungen erarbeitet. Die Fehler sind dazu da, dass man aus ihnen lernt. Und Menschen, die sagen, sie machen keine Fehler, die lügen entweder oder sie haben irgendwas nicht so richtig im Blick. So sehe ich das Ganze.
Wann fühlen Sie sich persönlich erfolgreich? Nach welchen Kriterien definieren Sie das für sich selbst?
Ich fühle mich persönlich erfolgreich, wenn ich mit dem zufrieden bin, was ich mache. Vor allem ist es mir hier wichtig, nicht auf anderer Leute Kosten Erfolg zu haben. Das muss originär wachsen. Ich habe zum Beispiel noch nie in meinem Leben irgendwelche Neidgefühle gehabt, im Gegenteil: Ich respektiere und honoriere Leute, die etwas auf die Beine stellen. Und wie gesagt, wenn ich hier mittlerweile fast 300 oder 350 Mitarbeiter in Lohn und Brot halte, dann nehme ich mir da schon eine gewisse Zufriedenheit heraus. Für mich ist das eigentlich eine ganz einfache Rechnung: Wenn man selbst die Chance hat, ein Unternehmen aufzubauen, dann sollten andere daran partizipieren können. Das ist hier bei uns ein wichtiger Punkt, finde ich jedenfalls.
» Wenn man die Chance hat, etwas aufzubauen, sollten andere daran partizipieren können. «
Was würden Sie Unternehmerinnen oder Unternehmern raten, die aktuell sehr zögerlich sind? Weil sie nicht wissen, wie sich die Situation bezüglich Lockdown und Pandemie noch weiter entwickeln wird.
Also ganz einfach: Ich würde jedem, der unternehmerisch tätig ist, einfach versuchen Trost zuzusprechen. Es gibt auch ein Leben nach Corona und unsere Generation, unser Zeitalter, wir alle werden lernen müssen, mit Viren wie diesen zu leben. Das ist die Geißel der Menschheit, und von daher denke ich, dass Leute, die jetzt im Unternehmen oder unternehmerisch tätig sind, einfach nicht in den Jammerchor der üblichen Mitbürger, die keine Hoffnung mehr sehen, einstimmen dürfen. Eher würde ich den Personen Folgendes anheimstellen: Jede Krise in meinen letzten 30 Jahren – ob die Währungskrise der 90er, ob die Dotcom-Blase, ob die Finanzkrise 2007/2008 – brachte immer Chancen mit sich. Man musste sie nur erkennen. Also: Nachdenken und dann Vollgas geben, das würde ich empfehlen. Nicht schlafen und nicht einlullen lassen, sondern wirklich über die Situation nachdenken: Wie kann man die Zeit nutzen, wenn alles andere stagniert? Während die Leute ein bisschen durchschnaufen, sollte man selbst aggressiv nach vorne preschen, um nach der Krise auch wirklich gut dazustehen.
Recht herzlichen Dank für das großartige Gespräch. Haben Sie noch ein paar Abschlussworte?
Gerade in Krisensituationen wie die, in der wir uns momentan befinden, dürfen wir die Zeit danach nicht aus den Augen verlieren. Es freut mich daher sehr, wenn die Art und Weise, wie ich an Herausforderungen herangehe, anderen vielleicht eine kleine Hilfestellung bieten kann.
Vielen Dank und Ihnen noch einen schönen Tag.
Danke, wünsche ich Ihnen auch.
Neugierig?
Werfen Sie direkt einen Blick ins Buch!
Oder besorgen Sie sich Ihr eigenes Exemplar.