Martin Auer
Martin Auer ist ein Name, den jede Grazerin und jeder Grazer kennt. Der Bäcker und Unternehmer steht hinter einem der wohl einschneidendsten, aber nicht minder erfolgreichen Rebrandings der Bäckereiszene. So steht der Name MARTIN AUER heute für Atmosphäre, Qualität und Brot mit Seele. Im Gespräch mit CMM spricht er über seinen wechselhaften Weg bis zur Übernahme des Familienbetriebes, warum eine „grausliche“ rosa Holzfassade eine tolle Sache ist, warum das Konzept der Work-Life-Balance eigentlich am Ziel vorbeiführt und wieso sich die Investition von 20 Millionen Euro für den neuen Hauptstandort auszahlt.
Herr Auer, Sie sind Leiter eines der wohl bekanntesten Bäckereibetriebe in Graz. Nun stellt man sich natürlich die Frage: Wie kam es dazu? Wo hat Ihre Geschichte angefangen?
Nun ja, prinzipiell unterscheidet sich mein Werdegang nicht unbedingt von dem anderer Familienunternehmen: Nach Schule und Studium habe ich zunächst im Familienunternehmen zu arbeiten begonnen, konnte aber schon während des Studiums viele Erfahrungen in anderen Unternehmen sammeln. Die Freude am Unternehmertum hat sich bei mir im Verlauf meines zunehmenden Einstieges in das Familienunternehmen herauskristallisiert. Nicht zuletzt ging dies wahrscheinlich auch mit dem Wunsch einher, mehr Verantwortung zu übernehmen und somit Kompetenz nicht nur zu spüren, sondern auch auszustrahlen.
Mehr Verantwortung übernehmen bedeutet in diesem Fall wahrscheinlich auch, mehr Bestimmung über das Unternehmen selbst wahrzunehmen. Wie genau war es in dieser Hinsicht?
Ja, natürlich kam irgendwann auch das Thema auf, das bestimmt in vielen Familienunternehmen zur Sprache kommt, dass die Nachfolgegeneration andere Pläne hat als die Vorgängergeneration. In diesem Fall war ich stets der Überzeugung, dass man in solchen Fällen auch den Mut haben sollte, sich zu trennen. Was mein Vater und ich dann auch schließlich taten – er hat das Unternehmen, welches er zu wesentlichen Teilen selbst aufgebaut hat, alleine weitergeführt und ich habe mich anderen Dingen zugewandt. Mir war es letztendlich auch wichtig, dass ich in dem Unternehmen einen sinnvollen Beitrag leisten konnte, weswegen ich damals die Konsequenzen akzeptiert habe, nachdem ich mich von dem Unternehmen getrennt und einen anderen Weg gesucht hatte. Obwohl dieser Weg mich schließlich wieder zurückgeführt hat.
Weil Sie dann die Bäckerei doch übernommen haben?
Ja, nach längerem Überlegen haben wir uns schlussendlich auf eine Möglichkeit geeinigt, mit der ich den Betrieb übernehmen konnte. An einem Stichtag, dem 1. Februar 2011, haben wir uns dann an der Schwelle die Hand gegeben: Ich wünschte meinem Vater alles Gute für die wohlverdiente Pension, er wünschte mir viel Glück für die Arbeit und von diesem Tag an war ich der neue Betriebsleiter. Und trotz der vergangenen Meinungsverschiedenheiten pflegen wir heute ein großartiges Verhältnis zueinander.
Aber im Endeffekt war es nie eine ausgemachte Sache, dass Sie den Betrieb irgendwann übernehmen?
Nein, war es nicht. Mein Vater hatte das Unternehmen immer strikt von seinem Privatleben getrennt. Das heißt, ich war der Bäckerei aus mehreren Gründen nicht nahe, einerseits weil ich eine Roggenmehlallergie habe – ich weiß, großartige Voraussetzungen für einen Bäcker – und andererseits auch, da mir das Bäckereigewerbe auch nie so sehr nahegebracht wurde, wie es vielleicht in anderen Familienunternehmen der Fall ist. Ich habe erst mit der Zeit erkannt, wie großartig eine Bäckerei wirklich sein kann, wie viel mehr in einem Brot stecken kann als einfach nur dessen Kalorienmenge. Brot, das älteste Kulturgut des sesshaften Menschen, der Inbegriff von Energie und Leben: Ja hallo! Da muss doch noch so viel mehr möglich sein als das, was es vor 20 Jahren war. Dem Bäckereihandwerk – dem Brot – seine Seele zurückgeben, genau das treibt mich an.
Das klingt definitiv nach einer, ich würde sagen, sehr modernen Ausrichtung. Auf jeden Fall nichts, was man so in einer „Traditionsbäckerei“ anfindet.
Ja, definitiv. Einmal intern aufräumen war auch das Erste, was wir im Jahr 2011 in Angriff nahmen. Damals waren wir, wie Sie sagen, eine sehr traditionelle, um nicht zu sagen 08/15-Bäckerei. Dementsprechend mussten wir uns überhaupt erst einmal ganz grundlegende Fragen stellen: Wofür stehen wir? Wofür steht unser Produkt? Wofür steht unsere Marke? Daher haben wir als allererstes jegliche externe Werbung stillgelegt. Wir haben vollständig damit aufgehört, Supermärkte zu beliefern oder Rabattaktionen auszugeben. Nicht, dass wir davor großartige Gewinne gemacht hätten, aber alles in allem war der Schritt extrem heikel, besonders für eine gerade so überlebende Bäckerei. Ich werde wohl nie erfahren, wie viele Kolleginnen und Kollegen sich damals fassungslos an den Kopf gegriffen haben, immerhin haben wir uns de facto vollständig aus dem Handel verabschiedet. Aber um unsere Marke, unsere Identität zu finden und authentisch zu vermitteln, war es notwendig, den ganzen externen Auftritt stillzulegen.
Also zuerst einmal die interne Linie finden?
Richtig. Und dann herausfinden, wie wir diese Linie am besten nach außen vermitteln, wie wir sozusagen auf den ersten Blick wirken: Wie sieht unsere Geschäftsaußenfassade aus, wie unsere Innenausstattung? Wie ist es mit der Beleuchtung, der Sauberkeit, der Ordnung, wie mit den Verpackungen und der Präsentation der Produkte? Welche Atmosphäre vermitteln wir, optisch, akustisch und emotionell? Sobald wir als Bäcker glauben, wir hätten nur Brot und eventuell Kaffee zu bieten, stehen wir auf verlorenem Posten. Natürlich müssen wir unsere ganzen Versprechen dann auch über unser Produkt einlösen. Aber die Qualität von Marke und Service, die wir zu Kundschaft wie Kollegenschaft kommunizieren, all diesen Versprechen müssen wir auch mit unserem Produkt nachkommen, wenn wir damit mehr als nur heiße Luft vermitteln wollen. Schlussendlich geht es darum, dass unser Auftreten unsere Vision authentisch widerspiegelt.
Dennoch sehen die einzelnen Filialen in der Praxis oft grundlegend anders aus. Allein schon der Shop am Kaiser-Josef-Platz …
Ja, die rosa Holzfassade hat definitiv für Reaktionen gesorgt. Aber das Ganze war ja nicht einfach nur ein Impuls. Hinter der ganzen Planung standen schon substanzielle Gedanken, auch wenn das Endergebnis verrückt wirken mag. Tatsächlich gab es an derselben Stelle viele Jahre lang eine Konditorei mit einem rosa Logo und einer weiß-rosa Mosaikwand. Und wenn meiner Frau und mir dann auch noch das Pariser Stadtviertel Marais mit seinen Holzfassaden in den Sinn kommt, dann führt eins zum anderen und ehe man sich’s versieht, enthüllen wir eine rosa Holzfassade, die zu sehr gemischten Reaktionen führt. Wenn dann ein Drittel der Beobachter nur „Pfui, grauslich“ sagt, die anderen dafür aber Lob aussprechen, dann hat das Ganze schon irgendwo seinen gewissen Reiz.
« Ich kann predigen so viel ich will, schließlich geht es um das reale Vorleben. »
Und wie kultivieren Sie das interne Mindset und bringen Visionen und Ziele zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?
Es ist natürlich nicht dasselbe wie in einem privaten Umfeld, aber letztendlich läuft alles darauf hinaus, es einfach selbst vorzumachen. Ich kann noch so viel über die Werte und Ziele von Martin Auer predigen, aber schließlich ist es das reale Vorleben, das aus diesen Lippenbekenntnissen Überzeugungen macht. Und in weiterer Folge werden langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Personen, die durch ihre Erfahrung bereits eine gewisse Autorität mit sich tragen, dies auch später an neue Kolleginnen und Kollegen selbst weitergeben. Solche Mitarbeiter tragen, ebenso wie die Führungskräfte, dadurch eine gewaltige Verantwortung ihren jüngeren Kolleginnen und Kollegen gegenüber. Dieses wechselseitige Vertrauen gilt es zu erhalten.
Wie geben Sie diesen Spirit gerade an junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter? Es soll für sie ja mehr als „nur“ ein Studentenjob sein. Wie begeistern Sie die jungen Leute, Ihre Marke authentisch zu vermitteln?
Tatsächlich habe ich mich bei der letzten Shoperöffnung in Waltendorf mit einer jungen Kollegin, die gerade ihre zweimonatige Einschulung absolviert hat, genau über dieses Thema unterhalten. Sie erzählte mir damals, dass sie während ihrer Zeit auf der Tourismusschule bereits Erfahrungen in mehreren Jobs gesammelt hatte. So konnte sie beobachten, dass es in allen bisherigen Jobs zwischen dem versprochenen und dem tatsächlichen Arbeitsumfeld immer einen gewissen Unterschied gab. In ihrer Zeit bei uns wäre ihr derartiges jedoch nicht aufgefallen. Sprich, zumindest aus Sicht dieser Kollegin war das Bild, das wir von unserem Unternehmen vermitteln, echter und authentischer als das anderer Mitbewerber. Das heißt natürlich noch lange nicht, dass wir unsere Arbeit deshalb besonders herausragend machen. Aber ich spreche davon, dass wir mit unseren Überzeugungen auf dem richtigen Weg sind, wir sind sozusagen die Einäugigen unter den Blinden (lacht).
Der Weg war definitiv richtig! Aber gehen wir noch einmal kurz zurück zu den Anfängen: Bei der Neuausrichtung mussten Sie zuerst den gesamten externen Auftritt kappen. Haben Sie sich damals Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn die gesteckten Erwartungen nicht eintreffen?
Natürlich sind solche Sorgen immer Teil eines so großen Schrittes wie den, den wir gewagt haben. Doch ich war damals – und bin es noch heute – der grundfesten Überzeugung, dass aus diesem Handwerk und besonders aus dem großen Potenzial an Menschen, welches wir hier haben, etwas werden kann. Etwas, mit dem wir die Leben vieler tausender Personen berühren, mit denen wir täglich in Kontakt treten. Selbstverständlich braucht man dann auch noch eine gehörige Portion Durchhaltevermögen, denn Ergebnisse werden ja immer nur sehr langsam ersichtlich. Und natürlich reicht es bei Weitem nicht, diese Überzeugung nach außen zu kommunizieren, sondern man muss ebenso die Kunden auf dieser Grundlage bedienen.
» Dem Brot seine Seele zurückgeben, das treibt mich an. «
Wie meinen Sie das?
Im Wesentlichen gibt es immer zwei Typen von Kunden: Die regulären Konsumentinnen und Konsumenten und die Involvierten, also wir von Martin Auer selbst. Wer von beiden letztendlich wichtiger ist, ist völlig irrelevant, denn beide müssen schließlich von der Idee hinter einer Marke überzeugt werden. Das heißt, wir sollten die großen Fragen zu Produkt, Service und Marke auch für unser Team aufarbeiten. Natürlich verdienen wir uns in diesem Beruf weder eine goldene Nase noch schieben wir eine ruhige Kugel, doch letztendlich müssen wir etwas bieten, das uns ein besseres Lebensgefühl gibt. Man könnte sagen, eine gute Work-Life-Balance, wobei ich hier gerne noch einen Schritt weiterdenke, da ich allgemein kein Fan von dem Konzept bin.
Inwiefern „kein Fan“?
Nun ja, einfach gesagt ist Work-Life-Balance ein irreführender Gedanke, denn das Wort deutet an, dass es „Work“ und „Life“ gibt und dass diese beiden Konzepte völlig voneinander getrennt sind, also „Work“ nicht „Life“ sein kann und umgekehrt. Was jammerschade ist, wenn man bedenkt, wie viel Zeit wir in einem Vollzeitjob verbringen, mit Kolleginnen und Kollegen, die wir teils öfter sehen als unsere Familien und den Freundeskreis. Alles, wozu das führt, ist, dass wir uns unnötig viele Sorgen über beide Aspekte machen. Die Frage ist also: Was kann man tun? Selbstverständlich spreche ich nicht von einer Friede-Freude-Eierkuchen-Welt, in der jede Sekunde unserer Arbeit unser Leben weiter erfüllt. Aber die zentrale Aufgabe ist es, Arbeit so zu gestalten, dass sie uns Selbstwertgefühl gibt und dass unser Arbeitsumfeld nicht zum Hauptverursacher von Sorgen, Mühen und Frust wird. Gerade Führungskräfte müssen sich hier insbesondere dafür einsetzen, ein solches Mindset im gesamten Unternehmen zu festigen. Was mich natürlich ebenfalls betrifft.
Gehen wir ein wenig auf die einzelnen Shops ein: Wie läuft der Gestaltungsprozess dahinter ab? Wie bringen Sie die Martin- Auer-Identity in jeden Ihrer Shops?
Logischerweise ist das Team in jeder Filiale hier das A und O. Und nachdem alle Dinge in einem Unternehmen Teamarbeit sind, achten wir zuallererst auf zwei grundlegende Aspekte, wenn wir uns um das Team in einer neuen Filiale kümmern. Zum einen wollen wir das Team möglichst heterogen im Hinblick auf Alter und Geschlecht, aber auch bezüglich Lebenserfahrung und Berufserfahrung gestalten. Zum anderen ist es jedoch genauso wichtig, dass die verschiedenen Personen homogen in ihren Werten und Überzeugungen sind. Wenn diese beiden Aspekte erfüllt sind, dann herrscht eine gute Stimmung. Die ist dann definitiv auch für externe Beobachter bemerkbar.
Sie sind ja sozusagen der kreative Kopf hinter dem Unternehmen. Wie genau kommen Sie auf neue Ideen und Konzepte?
Für mich gab es schon seit meiner Schulzeit immer zwei Themen, die mich besonders interessierten: Philosophie und Architektur. Weder für das eine noch für das andere hatte ich jedoch die Zuversicht oder den Mut, damit meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Stattdessen habe ich Wege gefunden, um diese Interessensgebiete in meinen Beruf zu integrieren: Zum einen durch das Gestalten und zum anderen durch das Ausarbeiten dessen, wie ich durch meine Arbeit, banal formuliert, einen Nutzen stiften kann. Über dieses Nachdenken bin ich auch schlussendlich zu der Überzeugung gekommen, dass es zuallererst am wichtigsten ist, dass das, was wir tun, uns Freude bereitet. Dann bewegen wir uns vorwärts und auch wenn der nächste Schritt ein falscher sein wird, stimmt die prinzipielle Richtung. Eigentlich geht es immer um dieselbe Frage: Worum geht es in unserem Beruf wirklich? Und das Spannende hier ist, dass ich nach wie vor – wenn auch seltener als früher – höre, wie zu viele Unternehmen sich weiterhin von den Kundenwünschen und nichts anderem leiten lassen. Ich glaube, dass dies mittlerweile zu wenig weit greift, denn wir müssen uns auch fragen, was wir der Welt an sich geben können. Dafür muss man manchmal auch ausgetretene Pfade verlassen, was sicherlich nie einfach ist. Aber ich halte mich dann immer an das Zitat von Einstein: „Eine Idee taugt nichts, wenn sie nicht zuerst absurd erscheint.“
Ihre Frau ist auch in dem Unternehmen beteiligt, oder?
Ja. Und das ist bis heute das wohl größte Glück gewesen, das mir als Unternehmer passiert ist. Damals, im Jahr 2012, hatte sie kurzerhand beschlossen, ins Unternehmen einzusteigen, nachdem ich kaum zu Hause war. Meine Frau ist diszipliniert, konsequent und umsetzungsstark – alles Dinge, die mir generell eher nicht so liegen. Ich bin eher der kreative Kopf. Aber so ergänzen wir uns einfach großartig.
Wie funktioniert die Produktentwicklung im Haus? Gibt es dafür ein eigenes Team oder kann sich jeder einbringen?
Nachdem unsere Backstube, das Büro und der Shop allesamt in der Zentrale liegen, können prinzipiell auch alle mitwirken. Oft kommen etwa Impulse zu neuen Ideen von Kolleginnen und Kollegen aus den Shops oder durch Kundenfeedback – generell kann jeder neue Ideen in unsere Konzeption einbringen. Wir sind ja auch sehr international, häufig bringt jemand daher auch eine Produktidee aus dem Heimatland mit. Dann experimentieren wir noch ein wenig herum und integrieren originelle Ideen in die Produkte. Wir haben zum Glück herausragende Bäckerinnen und Bäcker, die allesamt das Handwerk besser verstehen als ich und die dann eben die Ideen und Konzepte, die wir so ausarbeiten, umsetzen. Hinter jedem neuen Produkt, hinter jeder Idee, steckt also immer unsere gesamte Belegschaft.
» Eine Idee taugt nichts, wenn sie nicht zuerst absurd erscheint. «
Die MARTIN-AUER-Zentrale zieht ja im Frühjahr an einen neuen Standort. Woher kam die Notwendigkeit für diesen Schritt? Man liest ja vorwiegend vom Platzmangel, aber das ist wohl bei so einem großen Konzept im Hintergrund nicht der einzige Anlass.
Ja, also notgedrungen war es tatsächlich nur der Platzmangel, uns geht kurz und gut einfach allmählich der Raum für die Produktion aus. Andererseits jedoch wollen wir auch qualitativ expandieren: neue Ideen ausprobieren und unser Handwerk kontinuierlich verbessern. Größenwachstum sollte mit einem Qualitätswachstum – im Service wie bei den Produkten – einhergehen. Aber zurück zur eigentlichen Expansion: Einer der ganz konkreten Gründe für die Erweiterung ist, dass wir damit mehr Kühlfläche zur Verfügung haben. Wie Sie vielleicht wissen, braucht jedes gute Backwerk eine Fläche, wo es ruhen und sich ausdehnen kann. Aktuell fehlt uns der Platz dafür, den Teigen diese notwendige Ruhezeit zu geben, was heißt, dass wir sie viel zu schnell verarbeiten. Mit mehr Kühlfläche lösen wir dies natürlich und in weiterer Folge geht dies auch mit einer Änderung der Produktionskette einher. Dann könnten wir nämlich zum Beispiel auch den Anteil an Tagbäckern sukzessive erhöhen. Und ich glaube, dass es in Zukunft nicht einfacher werden wird, Leute zu finden, die ihr Leben und ihre Familie daran anpassen, an fünf Tagen in der Nacht zu arbeiten. So ist eigentlich die Notwendigkeit entstanden, denn das alles lässt sich am Dietrichsteinplatz rein räumlich eben nicht umsetzen. Deshalb sind wir bereit, alle nötigen Investitionen dafür zu tätigen – zum Vorteil unserer Kolleginnen und Kollegen und für das Unternehmen.
Wie sehen Ihre Expansionspläne generell aus? Soll auch außerhalb von Graz bzw. in andere Bundesländer expandiert werden?
Also da haben wir gar keine konkreten Pläne. Aktuell sieht es so aus, dass wir uns hier ganz einfach von der Nachfrage leiten lassen. Wenn Gäste uns sagen, dass sie gerne eine Filiale von uns in irgendeinem bestimmten Stadtteil sehen würden, dann macht uns das für die Zukunft definitiv selbstbewusster. So oder so: Wo es uns in Zukunft hin verschlägt, wird sich schon von selbst weisen. Wir haben etwa im letzten Frühjahr unseren ersten Standort in der Klagenfurter Innenstadt eröffnet und sind superhappy damit.
Wie genau läuft das generell ab mit den Standorten außerhalb von Graz? Werden die Produkte vor Ort hergestellt?
Ich fürchte, das ist logistisch ein wenig umständlicher: Das Produkt wird aus dem Ofen herausgenommen und dann einfach so schnell wie möglich geliefert. Insofern ist das eine Herausforderung, da wir natürlich wollen, dass die Produkte möglichst frisch ankommen, aber im Endeffekt ist das auch einfach eine Frage der Technologie. Wie können wir Frische ausdehnen und Produkte länger frisch halten? Natürlich ist es keine Raketenphysik, aber dennoch eine gewisse Anforderung.
Sie sind auch der Initiator hinter dem Projekt Pane in der Mariahilferstraße. Wie ist das zustande gekommen?
Die Geschichte war so: Nachdem wir uns aus dem Einzelhandel verabschiedet hatten, sind zwei Studenten auf uns aufmerksam geworden. Die beiden hatten am Mariahilferplatz eine Initiative gestartet, um die Wertschätzung für Lebensmittel in der Bevölkerung zu erhöhen. Und während ich eben zur Podiumsdiskussion radelte, kam mir die Idee, ein Geschäft in der Mariahilferstraße anzumieten, dort Brot vom Vortag zum halben Preis zu verkaufen und den Erlös daraufhin wohltätigen Zwecken zu spenden. So ist das Projekt Pane dann auch ins Leben gerufen worden und ich finde auch heute noch, dass es eine superschöne Sache ist. Ich weiß, es klingt immer etwas altruistisch, das so zu formulieren, aber ich hatte und habe noch immer eine Freude mit dem Projekt, den großartigen Partnern und besonders den vielen Freiwilligen, die dort ihre Zeit zur Verfügung stellen.
» Im Endeffekt bin ich tief davon überzeugt, dass es immer noch besser geht. «
Was treibt Sie persönlich an?
Ich würde sagen, beinahe eine Art Zwang, etwas Besonderes zu schaffen. Ich denke, dass es irgendwo auch ein wenig Schwäche ist, aber ich kann schlicht und ergreifend keine Abstriche machen. Nicht im Produkt, nicht im Service, nicht in der Marke. Im Endeffekt ist es einfach eine tiefliegende Überzeugung, dass es immer noch besser geht. Und dabei ist das Team, das Umfeld, in dem ich arbeite, auch ungemein förderlich dafür. Ich profitiere unglaublich davon, wenn das Team für unsere Idee brennt. Natürlich ist der Elan aktuell etwas getrübt, nachdem ja dennoch viele Kolleginnen und Kollegen von zu Hause aus arbeiten und daher in jedem Büro maximal zwei Personen, wenn überhaupt, sitzen. Aber dennoch profitiere ich auch selbst ungemein von diesem Elan und dieser Überzeugung, die wir alle hier täglich hervorbringen.
Eine abschließende Frage noch: Aktuell sind natürlich viele Unternehmerinnen und Unternehmer von der ganzen abwartenden Situation negativ betroffen bzw. haben auch nicht die Motivation oder die Überzeugung, dass sie hier noch aus der Krise herauskommen. Was würden Sie solchen Unternehmen auf den Weg mitgeben?
Wie Sie schon richtig sagen, es hängt sehr stark davon ab, inwiefern man von dieser Krise betroffen ist. Doch es macht einen gewaltigen Unterschied, ob die aktuellen Herausforderungen einfach nur ärgerlich sind – oder ein Grund zur Sorge. Ich sage gerne: Lieber Ärger als Sorgen. Und auch wenn ich durchaus weiß, dass es recht flapsig klingt, denke ich, dass es aktuell wichtiger denn je ist, die Sorgen möglichst nicht zu sehr an einen heranzulassen. Jetzt nutzt es nichts mehr, darüber nachdenken müssen wir sowieso – also denken wir positiv. Ich meine, was wäre denn die Alternative? Von all den Rückschritten und Sorgen und der Agonie, da kommen wir ja mit dem Schlucken der Antidepressiva gar nicht mehr nach. Wir sind ja sowieso schon in dieser Situation, machen wir also das Beste daraus.
Vielen Dank für das Interview.
Sehr gerne.
» Darüber nachdenken müssen wir sowieso – also denken wir positiv. «
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